1. Die Sirene heulte zum zweitenmal los. Sie drang gewiss weit ü ber das rechte Rheinufer. 2. Plö tzlich erblickte er im Gestrü pp Wallaus kleines, bleiches spitznasiges Gesicht... Plö tzlich war das Gestrü pp ü bersä t mit Wallaugesichtern. 3. Als die Sirene eine Sekunde nach seinem Befehl losheulte, trat er vorsichtig ü ber eine elektrische Verlä ngerungsschnur - ein Traum-hindernis - weg, ans Fenster. 4. Zwischen der Kommandantenbaracke, einem festen Gebä ude aus Ziegelsteinen, und der Baracke III, auf deren Lä ngsseite ein paar Platanen gepflanzt waren, lag eine Art Platz, den sie unter sich den Tanzplatz nannten. 5. Sie waren kein Weindorf, sie waren ein Gurkendorf. 6. Da kam ein alter Mann durch die Ä cker, der hatte zwei Eimer... um beim Fabrikwart Hasenfutter zu holen, in Westhofen hieß er das Zimthü tchen... «Also war wieder mal was passiert im KZ», dachte das Zimthü tchen, wie es beim Heulen der Sirene ganz langsam mit seinen Hasenfuttereimern ü ber den Acker kam. 7. Der kleine Helwig, ein Gä rtnerlehrling, lief zuerst in den Schuppen, um aus dem Portemonnaie seiner Manchestersamtjacke zwanzig Pfennig zu holen....Da gab es denn bald Geschrei; «... deine Jacke, Helwig, ist gestohlen.»... Das war kein Trost fü r den kleinen Helwig,... dass sein Jackendieb doch kein gewö hnlicher Dieb war. «Fritz, Fritz», — hieß es jetzt in der Darre-Schule, «deine Jacke ist gefunden!»... «Nun, das ist Ihre Jacke,» — sagte Fischer. «Wie? Ziehen Sie sie an!» sagte er lä chelnd... «ist sie's vielleicht nicht?» Fritz senkte die Augen. Er sagte leise: «Nein.» - «Nein?» sagte Fischer.... Er (Fischer — Н.Г.) hatte es nicht einmal behaupten kö nnen. Und doch war da etwas in Unordnung! Er zweifelte ebensowenig wie Overkamp, dass etwas in dieser Jackengeschichte nicht stimmte. 8. Anderthalb Stunden Eisenbahnfahrt zwischen Sterben und Leben mussten ü berwindbar sein. 9. Der Fahrer kam zurü ck, ein robuster Mann, im dicken Gesicht schwarze Vogelä ugelchen. 10. Suppe war schon aufgeschenkt, Kartoffelsuppe mit Wü rstchen. 11. Der ä lteste Wurzsohn war einmal mit der jü ngsten Aldingertochter so gut wie verlobt gewesen. 12. In aller Eile hatte man gestern abend noch ein paar Bretter an die Wand genagelt, denn die Apfelernte war ü berreich. Franz stand noch einmal auf und steckte den Kopf durchs Fenster, weil ihn der Apfelgeruch betä ubte.... Er hat sich sofort von mir weggedreht, dachte Franz in seiner Apfelkammer... 13. Er schleppte sich quer ü ber den Platz in ein Automatenbü fett. 14. Er sah Georgs Jungengesicht, seinen frechen und traurigen Blick... 15. In ihrem Dienstraum war immer noch Nacht, die Lä den geschlossen, eine gewö hnliche Schreibtischlampe genü gte und die bewegliche Hundertkerzenlampe dann und wann fü r gewisse Verhö re. 16. Er ließ Fischer die Nachrichten fü r Presse und Radio ausgeben, klappten gerade noch fü r die Morgenmeldungen. Overkamp hatte die Gegenansicht bekä mpft: Eine solche sofortige Publikation in vollem Umfang zwecks Mithilfe des Publikums sei zweckdienlich, wenn es sich um zwei hö chstens drei Flü chtlinge gehandelt hä tte, eine exakte plausible Zahl, Fluchtumstä nden anpassbar, gegen die sich bei entsprechender Meldung das Volksempfinden wenden ließ. Dass aber die Bekanntwerdung eines Fluchtversuchs in solchem Umfang nicht mehr der Fahndung unbedingt dienlich sei... 17. Keine fü nf Minuten Autofahrt von der Darre-Schule nach Westhofen. 18. «Ja, Belloni hat ihre Maß e angegeben. Er hat einen Schneiderblick.» 19. Sein Fluchtweg war wohl festgestellt. 20. Nach der Verhaftung ihrer Tochter und ihres Schwiegersohnes wegen Fluchtbegü nstigungsverdachts ist die Wohnung... versiegelt worden.